Kreuzweg der Männerschola

Cadolzburg, 20.3.2022

Mit Bildern von Roger Bertemes
(1927 - 2006)

 

Präludium: Orgel und Flöte

Begrüßung und Hinführung:

Liebe Gemeinde,

lassen Sie mich vorweg einige Worte zu den Bildern der Kreuzwegstationen erläutern:

Die Schola hat – wie in den letzten Jahren – Bilderserien für die Stationen ausgewählt und Texte dazu geschrieben.
In diesem Jahr entschieden wir uns, die stark abstrahierten Tuschebilder des Luxemburger Künstlers Roger Bertemes der Andacht zu Grunde zu legen.
Die 15 Tuschebilder des 2006 verstorbenen Künstlers wurden 1988 in der neuen Kirche von Roodt-Syre in Luxemburg angebracht, und zwar jeweils neben die vorhandenen, traditionellen Kreuzwegbilder. Die Betrachter damals in der Kirche waren meist ratlos, und vielleicht sind Sie es heute ebenso, oder empfinden diese Bilder vielleicht sogar als Zumutung. Uns ging es bei der Vorbereitung des Kreuzweges jedenfalls so.
Die Tuschezeichnungen beschreiben nichts Gegenständliches, keine Szenen, die wir von den bekannten Stationen des Leidens Jesu kennen. Sie wirken eher wie willkürliche Farbfahrer oder haben vielleicht eine Ähnlichkeit mit chinesischen Schriftzeichen.
Wir sind es durch die traditionelle Malerei und Bildhauerei gewohnt, religiöse Botschaften konkret, durch Abbildungen von menschlichen Gestalten in Religionsbüchern, an Altargemälden usw. erspüren zu können. Und doch ist es fraglich, ob wir die Wirklichkeit Gottes damit ganz erfassen.
Die Zeichnungen von Bertemes sind bewusst abstrakt gestaltet, sie entziehen sich gewollt jedem direkten Zugriff. Sie laden uns ein zu verweilen, sich dem Ruf ins Unbekannte nicht zu verweigern.
Das Bilderverbot im Ersten Testament, also dem Alten Testament, hat wohl den Zweck, den Zugang zum göttlichen Gott offen zu lassen, ihn nicht durch menschliche Bilder einzuengen.
Roger Bertemes hat in seinem Bilderzyklus den traditionellen 14 Kreuzwegstationen eine 15. Station angefügt. So soll auch bildlich am Ende nicht der Tod Jesu, sondern seine Auferstehung stehen.   

Versuchen wir nun, die Bilder auf uns wirken zu lassen.

 

Liturgische Einführung

 

1. Station: Jesus wird zum Tode verurteilt

 Dazu schreibt Lukas:
… man führte Jesus zu Pilatus …
Pilatus rief die Hohepriester und die anderen führenden Männer und das Volk zusammen und sagte zu ihnen: Ihr habt mir diesen Menschen hergebracht und behauptet, er wiegle das Volk auf. Und siehe, ich selbst habe ihn in eurer Gegenwart verhört und habe an diesem Menschen die Schuld, wegen der ihr ihn anklagt, nicht gefunden, auch Herodes nicht, denn er hat ihn zu uns zurückgeschickt. Ihr seht also: Er hat nichts getan, worauf die Todesstrafe steht. Daher will ich ihn auspeitschen lassen und dann freilassen. Da schrien sie alle miteinander: Weg mit ihm; lass den Barabbas frei! Dieser Mann war wegen eines Aufruhrs in der Stadt und wegen Mordes ins Gefängnis geworfen worden. Pilatus aber redete wieder auf sie ein, denn er wollte Jesus freilassen. Doch sie schrien: Kreuzige ihn, kreuzige ihn! Zum dritten Mal sagte er zu ihnen: Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Ich habe nichts feststellen können, wofür er den Tod verdient. Daher will ich ihn auspeitschen lassen und dann werde ich ihn freilassen. Sie aber schrien und forderten immer lauter, er solle Jesus kreuzigen lassen, und mit ihrem Geschrei setzten sie sich durch: Da entschied Pilatus, dass ihre Forderung erfüllt werden solle. Er ließ den Mann frei, der wegen Aufruhrs und Mordes im Gefängnis saß und den sie gefordert hatten. Jesus aber lieferte er ihrem Willen aus. (
Lk 23,1b.13-25)

 Betrachtung zum Bild:

Das Bild gliedert sich in drei Teile: Links, deutlich kleiner als der Rest im Bild, eventuell knieend Jesus. Nur leicht angedeutet mit einigen roten Punkten und Strichen. In der Mitte, übermächtig und riesig wirkend Pilatus. Neigt er den Kopf leicht herab zu Jesus? Ebenfalls links und als Hintergrund wirkend, das Volk von schwarz über verschiedene Schattierungen als graue Punkte angedeutet.

Flüstert es Pilatus das Urteil zu?

Wir wollen beten:

Jesus Christus, zu allen Zeiten und überall werden Urteile gesprochen, gute und schlechte, gerechte und ungerechte.
Gib uns für unsere täglichen Urteile als Maßstab Liebe und Gerechtigkeit!

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Ich sehe dich, o Jesus schweigen / da dich die Welt verdammt zum Tod. /
ach, lass dich zum Erbarmen neigen, / wann du als Richter kommst, o Gott.

 

2. Station: Jesus nimmt das Kreuz auf sich

Im Johannesevangelium lesen wir:
Sie, die Hohenpriester, übernahmen Jesus. Und er selbst trug das Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelstätte, die auf Hebräisch Golgota heißt. (Joh 19,16b-17)

Bildbetrachtung:
Die Tuschezeichnungen des Künstlers Roger Bertemes sind für den Betrachter eine Herausforderung. Auf die Frage, zu welcher Kreuzwegstation gehört dieses Bild, hätte ich im ersten Moment geantwortet „Jesus wird ans Kreuz genagelt“, denn ich sehe im ersten Anblick ein Kreuz, welches gerade hochgezogen wird und daran hängend einen Körper. Nachdem ich das Bild länger auf mich habe wirken lassen, passt es aber immer mehr zur 2. Station: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern. Das schwere Kreuz ist dargestellt in dem Winkel, wie man es auf den Schultern trägt. Jesus nimmt das Kreuz auf, welches jedoch mehr als nur ein einfaches Holzkreuz ist. Er nimmt auch unsere Last mit auf seine Schultern und diese zusätzliche Last ist durch die Wölbung dargestellt. Der herunterfallende Schweißtropfen sowie der Bluttropfen symbolisieren die Anstrengung und Schmerzen, die Jesus schon jetzt erfährt. Für Jesus war es eine Herausforderung, die Qualen und Schmerzen anzunehmen und das Kreuz mit unseren Sünden auf seine Schultern zu legen. Aber es war Gottes Wille, dass Jesus unter Schmerzen bis zum Tode unsere Last mitträgt.

Wir wollen beten:
Gott, du hast es zugelassen, dass dein geliebter Sohn das Kreuz mit all unseren Sünden auf seine Schulter genommen hat, damit durch das Menschwerden, den Tod und die Auferstehung unsere Sünden vergeben werden.

Auch heute sündigen wir und wer trägt nun unsere schwere Last? Im festen Vertrauen darauf, dass du auch unsere Sünden vergibst, bitten wir dich, schaue nicht auf unsere Sünden, sondern auf unseren Glauben, den wir durch das Kreuz und die Auferstehung gewonnen haben.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Ich sehe dich das Kreuz umfangen, / aus Liebe trägst du alle Schmach, /
so bist du selbst mir vorgegangen, / ich folge dir, mein Jesus nach.

 

3. Station: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Dazu fordert Jesaja:
Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht. (Jes 35,3-4) 
Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. (Jes 53,4-5)  

Betrachtung zum Bild:
Man erahnt Jesus unter der schweren Last des Kreuzbalkens. Wieder erkennbar an der roten Trennlinie zwischen Kreuz und Jesus. Ist Jesus auf die Arme gesunken und tief gebeugt?
Das Volk wird im Hintergrund wieder als grauer Schatten dargestellt

Wir wollen beten:
Herr, viele gebeugte und Verzweifelte kreuzen unseren Lebensweg, ganz nah, aber auch weltweit.
Gib uns Kraft und Ausdauer zur Hilfsbereitschaft und Solidarität 

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

 Zugehörige Liedstrophe:

Du fällst o Jesus, hin zu Erde / dich drücket meiner Sünden Last; /
o dass mein Herz erweichet werde, / da du so viel gelitten hast!

 

4. Station: Jesus begegnet seiner Mutter

Der Psalmist schreibt:
Entfremdet bin ich den eigenen Brüdern, den Söhnen meiner Mutter wurde ich fremd.
Denn der Eifer für dein Haus hat mich verzehrt; die Schmähungen derer, die dich schmähen,
haben mich getroffen. (Ps 69,9-10)

Bildbetrachtung:
Zwei Menschen stehen sich gegenüber: links Jesus, der auf seinem Kreuzweg auf seine Mutter zugeht.
Rechts Maria: vor Kummer um ihren Sohn gekrümmt ist sie gleichsam zur Salzsäule erstarrt. Sie weiß, welchen Weg ihr Sohn gehen wird, welches Schicksal ihn ihr entreißt, aber sie kann ihm nicht helfen.
Jesus hat in seinem Leben manchmal harte Worte seinen engsten Verwandten gegenüber gefunden. „Wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder? Wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,47-50).
Jetzt stehen sie sich gegenüber – geblieben ist nur die Mutter! Was bleibt noch zu sagen? Der waagrechte Balken verbindet beide! Die Mutter-Sohn-Beziehung: eine starke Bindung. Auch die rote Farbe an Jesu Körper zeugt davon: Jesus kennt den Schmerz und den Kummer seiner Mutter. Er empfindet mit ihr, er weiß, was seiner Mutter droht, wenn er sie im Alter nicht versorgen kann. Später am Kreuz wird er sie seinem Jünger Johannes anvertrauen.
Die Oberseite des rechten Balkens ist wie eine Krone ausgeformt: Maria Himmelskönigin!

Wir wollen beten:
Wenn sich Menschen abseits allgemein gültiger oder anerkannter Konventionen bewegen, entstehen auch in Familien Gräben, die nicht oder oft nur schwer zu überbrücken sind. Dabei leiden beide Seiten unter dieser Situation, am meisten aber die Eltern, die den Weg ihres Kindes nicht verstehen. Wir bitten dich für diese Familien, dass der Gesprächsfaden unter  den Familienmitgliedern nicht abreißt und sie dennoch liebe- und verständnisvoll miteinander umgehen.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
O Sohn, o Mutter, eure Herzen / sind ganz versenkt in Traurigkeit; /
ach, teilet mit mir alle Schmerzen, / lasst mich empfinden euer Leid

 

5. Station: Simon von Kyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

 Wir lesen im Markusevangelium:
Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen. Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Kyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen. (Mk 15,20b-21)

Betrachtung zum Bild:
Der Weg nach Golgatha ist lang und schmerzhaft. Es ist der mächtige Querbalken den der verurteilte Jesus zur Hinrichtungsstelle trägt, wo üblicherweise schon der Längsbalken aufgestellt ist. Wie schon in der zweiten Station wird auch in dieser fünften Station die Schwere der Last in der Wölbung des massiven Kreuzbalkens ausgedrückt. Jesus wird dominierend mit breitem Pinselstrich leicht nach vorne gebeugt dargestellt, ganz oben ist die Dornenkrone zu erahnen. Die Spuren der Geißelung sind mit roter Farbe auf dem Rücken sichtbar. Simon von Kyrene, den die Soldaten gezwungen haben, dem schon geschwächten Jesus das Kreuz zu tragen, ist links, hinter Jesus dargestellt. Eine kleine Gestalt, die Hände nach oben gestreckt, hilft Jesus die Last mitzutragen. Die Schergen wollten wohl sicher gehen, das Leiden Jesu bis zum Ende vorzuführen.
Aus Sicht des Johannesevangeliums ist es dennoch der Wille Jesus, alleine die Last des Kreuzbalkens bis zum Ende zu tragen, auch um deutlich zu machen: er ist der Souverän, der das Geschehen bestimmt.
Simon hat im Mitgehen und Mittragen erkannt, dass es Gnade war, mit diesem Gekreuzigten zu gehen und ihm beizustehen. Er nimmt damit vorweg, was uns später der 1. Petrusbrief mit auf den Weg gibt: „…Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt“ (1 Petr 2,21).
Sooft wir einem Leidenden, einem Verfolgten oder aktuell vom Krieg Bedrohten in Güte begegnen und ihm sein Leid tragen helfen, sooft tragen wir Jesu eigenes Kreuz auch mit.

Wir wollen beten:
Herr, du hast Simon von Kyrene die Augen und das Herz geöffnet, ihm im Mittragen des Kreuzes die Gnade des Glaubens geschenkt. Hilf uns, dem leidenden Nächsten beizustehen, auch wenn oftmals der Ruf dazu unseren Plänen und Sympathien widerspricht.
Fassungslos erleben wir, wie Machthaber die Freiheit und das Leben vieler Menschen gefährden. Wie mitten in Europa ein Krieg wütet. Was geschieht als Nächstes? Welchen Informationen können wir trauen? Was können wir tun, um zu helfen oder etwas zu bewegen?

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Das Kreuz will niemand mit dir tragen, / du trägst allein all unsre Schuld; /
du könntest billig dich beklagen, / du schweigst und trägst es mit Geduld.

 

6. Station: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Der Psalmist schreibt:
Mein Herz denkt an dich: Suchet mein Angesicht! Dein Angesicht, HERR, will ich suchen. Verbirg nicht dein Angesicht vor mir; weise deinen Knecht im Zorn nicht ab! Du wurdest meine Hilfe. Verstoß mich nicht, verlass mich nicht, du Gott meines Heils! (Ps 27,8f)

Bildbetrachtung:

In der Tuschezeichnung des Künstlers Roger Bertemes ist ein Tuch zu sehen, voll mit Bluttropfen und Schweißresten und letztlich ein Abbild vom Gesicht Jesus.
Veronika, eine Jüngerin von Jesus, stand am Wegesrand und konnte es nicht mehr ansehen, welche Schmerzen Jesus aushalten musste. Sein Gesicht war voller Blut, Schweiß und Dreck. Sie war eine von vielen, die dort standen, aber sie war es, die sich durch die Menge nach vorne durchgewühlt hatte und mutig an den Soldaten vorbei direkt auf Jesus zuging, um ihm das Tuch zu reichen.
Hätte ich in der Situation den Mut gehabt, mich als Freund erkennen zu geben? Und hätte ich geholfen?
Vermutlich hat Veronika nicht lange gezögert und überlegt. Sie konnte gar nicht anders und sie musste helfen.
Aber ertappen wir uns nicht immer wieder, dass wir zwar helfen könnten, es aber nicht tun, weil es doch einfacher ist wegzuschauen? Später, wenn ich mich dann an die Situation nochmal erinnere, habe ich immer viele Ausreden, warum ich gerade hier nicht geholfen habe. Warum habe ich nicht den Mut gehabt, zu helfen? – Den Mut, den Veronika am Wegesrand aufgebracht hat.

Wir wollen beten:

Gott, täglich sehen wir in unserem Leben Personen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, aber oft schauen wir weg und überlassen sie ihrem Schicksal. Du sagst: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. Ist dieses nicht immer wieder die Aufforderung an uns, aktiv hinzuschauen und zu helfen?
Veronika ist mutig aus der Menge ausgebrochen und hat Jesus ihre Hilfe gegeben. Vater, gib uns immer wieder den Mut und die Kraft, in Nächstenliebe miteinander zu leben und den Schwächeren unsere Unterstützung zu geben.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Geliebter Heiland, Mann der Schmerzen, / ach, zeige mir dein Angesicht /
und präg es ab in meinem Herzen, / o Jesus, meiner Seele Licht.

 

7. Station: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

 Im Buch der Psalmen lesen wir:
Nichts blieb gesund an meinem Fleisch. Kraftlos bin ich geworden, ganz zerschlagen, ich schrie in der Qual meines Herzens. … Mein Herz pochte heftig, meine Kraft hat mich verlassen, … Die mir nach dem Leben trachteten, legten mir Schlingen; die mein Unheil suchen, planten Verderben und den ganzen Tag haben sie Arglist im Sinn…. Ja, ich bin dem Fallen nahe, immer ist vor mir mein Schmerz.  (Ps 38, 8b.11a.13.18)

Betrachtung zum Bild:
Nichts ist aufrecht, alles ist irgendwie schräg, aus dem Gleichgewicht geraten, unter dem großen, schweren Holzkreuz. Gestürzt, jedoch nicht flach auf der Erde liegend. Es sieht so aus, als ob jemand kraftlos auf dem Boden kauert, sich mit aufgeschürften Ellbogen am Boden abstützt, im Nacken schon blutend.
Und das in aller Öffentlichkeit: Im Bild die unsichtbaren Schaulustigen am Wegesrand, keiner hilft dem Menschen. Er wird gemieden von allen, ist allein gelassen im Schmerz.
Eine schreckliche, grauenvolle Vorstellung, wenn wir das so erleben müssten. Ich möchte es mir nicht vorstellen!
Im Bild ist es grau um den Menschen.
Und ein Graubereich entsteht auch zwischen den zwei schwarzen Teilen. Ein Zwischenraum öffnet sich, darin ist nichts, jedenfalls nichts Materielles. Das obere Schwarze, das blutige Holz, das selbst schon halb kaputt ist und wie zerbrochen wirkt, ist abgehoben und nicht mehr mit dem Körper verbunden. Beginnt hier schon eine Art Loslösung? Loslösung des Gottes- und Menschensohnes von dieser Welt? Ein Graubereich, ein Raum mit Nichts aus dieser Welt, ein Raum, der den Blick zum Vater führt?

Wir wollen beten:
Vater im Himmel, du hast deinem Sohn für unsere Erlösung die Zumutung des Kreuzestodes auferlegt. In unserer Zeit gibt es so viele Menschen, denen Leid zugemutet oder zugefügt wird. Aus der Ukraine sehen wir jetzt täglich schreckliche Bilder. Aber auch in unserer näheren Umgebung gibt es Leid und Elend. Und weil es leichter ist wegzusehen, gehen wir oft einfach vorüber, wenngleich manchmal mit einem schlechten Gefühl.
Was wäre eine barmherzige Reaktion auf den Anblick von Leid? Von Jesus Barmherzigkeit wird uns in der Bibel an mehreren Beispielen erzählt.
Gib, Herr, dass wir den Mut aufbringen, beim Anblick von Leid ein klein wenig barmherzig zu sein.
Gib, dass wir Deine Nähe spüren dürfen, wenn wir selber leidend sind und uns verlassen fühlen.
Gib, dass wir dann den Blick zu Dir wenden können, wenn wir wirklich verlassen sind.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Mit welcher Mühe und Beschwerde / trägt Jesus seines Kreuzes Last, /
doch abermals stürzt er zur Erde / und büßt, was du verschuldet hast.

 

8. Station: Jesus begegnet den weinenden Frauen.

 Der Evangelist Lukas schreibt:
Es folgte ihm eine große Menge des Volkes, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Töchter Jerusalems, weint nicht über mich; weint vielmehr über euch und eure Kinder! Denn siehe, es kommen Tage, da wird man sagen: Selig die Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben. Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallt auf uns! und zu den Hügeln: Deckt uns zu! Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?
(Lk 23,27-31)

Bildbetrachtung:
Drei Menschen sind im Bild zu sehen. Exemplarisch dargestellt für diejenigen, die den Weg Jesu säumen. Menschen, die nur das wahrnehmen, was sich vor ihren Augen abspielt. Sie sind einander zugewandt. Bei der Figur in der Mitte verblasst das starke Schwarz der Trauer schon ein wenig und geht ins Graue über. Das Leben muss weitergehen!
Den roten Fleck in der Ferne, der das Unheil ankündigt, das wenige Jahre später über Jerusalem und seine Bewohner herein­brechen wird, bemerken und erkennen sie nicht.
Jesus sieht weiter: er weiß, „die Zeit, da Frieden war in der ganzen Welt“ wird nicht ewig dauern. Krieg und Terror werden zurückkehren. Und er weiß, wer am meisten darunter zu leiden hat – damals wie heute: Zivilisten, Frauen und Kinder. Und Eltern sollten ihre Kinder nicht zu Grabe tragen müssen!

Wir wollen beten:
Guter Gott, wie schwer fällt es uns, hinter dem offensichtlichen schönen Schein das Wesentliche zu entdecken. Manchmal wollen wir aber auch der einen oder anderen Sache nicht auf den Grund gehen. Gib uns den klaren Blick, das Wesentliche hinter so mancher Fassade zu sehen, und gegen Missstände im Rahmen unserer Möglichkeiten aufzubegehren.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Allzeit will ich die Sünd bereuen, / sie ist, o Jesus, deine Pein. /
Mehr als den Tod will ich sie scheuen; / dann wirst du, Herr, mit gnädig sein.

 

9. Station: Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Der Prophet Jesaja schreibt dazu:
Er hatte keine schöne und edle Gestalt, sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. (Jes 53,2b-4)

Betrachtung zum Bild:
Der dritte Fall unter dem Kreuz ist jetzt noch schwerer. Der Künstler hat den dunklen Balken im Fallen wie in einem Zeitraffer auf den Rücken von Jesus abgeladen. Mit beiden ausgestreckten Händen liegt Jesus auf der Erde, die ganze Last über ihm. Die Spuren der Misshandlungen sind in roter Farbe dem Fallen gefolgt. Der Graubereich hat nun eine noch größere Bedeutung eingenommen. Wird hier wohl angedeutet, dass der Anblick eines Verurteilten, der erschöpft unter dem Kreuz zusammenbricht, uns nicht entsetzen soll? Diese äußeren Anzeichen, dass der Tod naht, birgt in sich das Licht des Lebens.
Wer von uns wäre ein drittes Mal aufgestanden? Jesus bringt es zu Ende. Für all unser Liegenbleiben, unsere Ohnmacht, unsere Hilflosigkeit, unsere Lethargie ist er auch noch ein drittes Mal aufgestanden.
Jesus macht uns vor, was es heißt, es wirklich zu versuchen und nicht aufzugeben. Er sagt uns zu, uns in den Momenten unseres eigenen Fallens nicht allein zu lassen.

Wir wollen beten:
Lebendiger Gott, dein Sohn Jesus Christus hat alle Extreme des menschlichen Daseins selbst durchlebt und durchlitten. Er geht unseren Weg mit allen Fallstricken, allen Höhen und Tiefen mit. Für all das sind wir dankbar.

So schenke uns Kraft und Mut, unserer eigenen Kraftlosigkeit nicht das Zepter zu überlassen, sondern sende uns den Geist der Kraft und Zuversicht.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Du willst zum dritten Male fallen, / doch deine Lieb erlieget nicht; /
sie hilft mit reichen Gnaden allen, /wenn unsre Kraft zusammenbricht.

 

10. Station: Jesus wird seiner Kleider beraubt

Dazu schreibt Lukas:
Um seine Kleider zu verteilen, warfen sie das Los. Das Volk stand dabei und schaute zu; auch die führenden Männer verlachten ihn und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte.
(Lk 23,34b-35)

Betrachtung zum Bild:
Diese Station ist die einzige im Kreuzweg, die ohne auch nur einen kleinen roten Farbpunkt auskommt.
Jesus in der Bildmitte, links und rechts von ihm angeordnet zum einen das Volk, die Gaffer, zum anderen die führenden Männer, die Spötter.
Jesus wird unbekleidet zur Schau gestellt
Das Zur-Schau-gestellt-werden, verleiht ihm Größe. Die anderen in der Szene links und rechts dargestellten Personen werden zu unbedeutenden Figuren abgestuft. Auf seinem Körper ist bereits schemenhaft das aufgerichtete Kreuz auf Golgotha zu erkennen.

Wir wollen beten:
Herr Jesus du wurdest der Kleider beraubt, du standest nackt, ohne jeden Schutz, vor deinen Peinigern, die deine Hilflosigkeit auch noch mit Spott unterstrichen.
Wie oft stehen wir in unserem Leben ohne jeglichen Schutz, ohne Fürsprecher, bloßgestellt und bis auf die Knochen blamiert da und müssen dann auch noch reichlich Spott ertragen.
Hilf uns, dass sich in solchen Szenen Familie, Freunde, Kollegen vor uns stellen, um uns zu begleiten und zu schützen.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Das Kleid wird Jesus abgerissen; / aus allen Wunden fließt das Blut; /
so muss dein Heiland für dich büßen, / sieh, was die Liebe für dich tut.

 

 

 

 

 

11. Station: Jesus wird an das Kreuz genagelt

 Lukas schreibt:
Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Sie kamen an den Ort, der Schädelhöhe heißt; dort kreuzigten sie ihn und die Verbrecher, den einen rechts von ihm, den andern links. Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!  (LK 23,32-34a)

Betrachtung zum Bild:
Jesus weiß natürlich was auf ihn zukommt.
Das Rot signalisiert das Blut und seine Schmerzen.
Sein Körper, durch das übermächtige Kreuz zerschunden und gebrochen. Das Hellgrau im Hintergrund lässt uns die Szene noch düsterer erscheinen. Die tiefschwarzen Kreuze mit den zum Rand hin hellerem Grau führen uns zum zentralen Mittelpunkt, den ans Kreuz genagelten Jesus.
Das rechte Kreuz wird im Bild dargestellt und hat nach oben keinen Überstand. Es wird in der biblischen Szene beschrieben, dass sich der Verurteilte voll Reue zeigt. Der links neben ihm Gekreuzigte zeigt sich nicht reuig. Ganz im Gegenteil: er verspottet noch Jesu. Das Kreuz wird nur im Ansatz angedeutet.
Fast außerhalb des Bildes links oben, der hellgraue Kleks mit dem roten Punkt, die Seele, der Geist die sich bereits langsam aus dem Körper verabschieden. Eventuell bereits der Ausblick auf den Ostersonntag.

Wir wollen beten:
Herr Jesus, wenn sich die Nacht am Ende unseres Lebens über uns senkt, dann hilf uns, dass wir für den letzten Weg gut vorbereitet sind, so dass wir auch loslassen können.
Hilf uns, dass uns wohlgesonnene Menschen begleiten dürfen. 

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Du darfst nicht über Leiden klagen, / bedenke, Christ, für deine Schuld /
wird Jesus an das Kreuz geschlagen; / er schweigt und leidet mit Geduld.

 

12. Station: Jesus stirbt am Kreuz

Beim Evangelisten Lukas lesen wir:
Es war schon um die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land hereinbrach - bis zur neunten Stunde. Die Sonne verdunkelte sich. Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei. Und Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mit diesen Worten hauchte er den Geist aus.
(Lk 23,44-46)

Betrachtung zum Bild:
Drei Kreuze sind errichtet. Zwei davon etwas schief. Nur eines ist gerade aufgerichtet, als ob der Künstler an das Wort Jesu zur gekrümmten Frau erinnern wollte, mit dem sie sich wieder aufrichten konnte. Und vielleicht braucht es dazu die rote Farbe, die im Hintergrund noch ein wenig hervorleuchtet, weil sie sagen möchte: Es ist nicht die Farbe des Blutes, die zählt, sondern die Farbe der Liebe, die selbst den Tod, ja sogar den Tod Jesu am Kreuz, überwindet. Schon im alttestamentlichen Hohen Lied der Liebe heißt es: „Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm, denn stark wie der Tod ist die Liebe.“ (Hld 8,6). Jesus würde vielleicht sogar sagen: Stärker noch als der Tod ist die Liebe.
Und dennoch ist ein bedrohlich dunkler Klecks über den Kreuzen. Er sieht aus, als ob damit etwas übermalt worden wäre, weil es keine alleinige Gültigkeit mehr haben darf. Nicht Wissen und Verstehen sollen alleinige Kriterien bleiben. Über all dem vergiss nicht dein Herz! Ja, vielleicht ist unser Glaube wirklich zu verkopft, hat zu wenig Herz, das wir hervorscheinen lassen sollen. Auf einem Bild lässt sich das leicht übermalen, aber in unserem Leben geht das nicht so einfach. Ob es uns wenigstens ein Stück weit gelingt? Das Leben Jesu liefert uns genügend Beispiele, deren tiefste Begegnung mit seinem Kreuzweg erfahren werden kann. Der erst ermöglicht den Blick in den offenen Himmel, den Jesus im Sterben sieht und mit dem er einem der mit ihm Gekreuzigten versprechen kann: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein (Lk 23,43b)

Wir wollen beten:
Gott, immer schon suchen wir Begründungen, Erklärungen, Deutungen
und vergessen, dass wir auch ein Herz haben.
Aber genau darauf schaust du.
Unreif ist es noch, unwissend und unachtsam.
Trotzdem sollen wir damit uns und dem Nächsten gegenüber Liebe und Vertrauen schenken.
Wir wissen das, aber tun es nicht. Unserem Wissen fehlt die Liebe, das Herz.
Hilf uns mit deinem Leben und deinem Sterben, dies zu ändern,
die Sehnsucht nach Liebe und Erlösung im Herzen zu bewahren,
damit wir lernen mitzuhelfen, dem Elend und der Verzweiflung von Mitmenschen ein Ende zu bereiten.

 Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Du, Jesus, bist am Kreuz gestorben, / aus Liebe wählst du diesen Tod. /
So hast du mir das Heil erworben; / o ewig lieb ich dich, mein Gott.

 

13. Station: Jesus wird vom Kreuz abgenommen

 Dazu schreibt Lukas:
Und siehe, da war ein Mann mit Namen Josef, ein Mitglied des Hohen Rats und ein guter und gerechter Mensch. Dieser hatte ihrem Beschluss und Vorgehen nicht zugestimmt. Er war aus Arimathäa, einer jüdischen Stadt, und wartete auf das Reich Gottes. Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Und er nahm ihn vom Kreuz…
  (Lk 23,50-53a)

Betrachtung zum Bild:
Unser Blick wird nun nur noch auf das Kreuz Jesu gerichtet, von dem er jetzt abgenommen wird. Offensichtlich schon von den Nägeln gelöst, verkrümmt sich der Körper Jesu, wenn er gehalten und vorsichtig vom Kreuz heruntergehoben wird. Fast schaut es so aus, als würde dafür auch das Kreuz selber umgelegt werden müssen. Es wird jetzt ja nicht mehr gebraucht. Damit lässt auch das Bedrohliche des ganz schwarzen Kreuzes nach: Der Künstler verdünnt seine Farbe zu einem Grauton, der wie ein Schleier über der Szene liegt. Die Situation ist ja wahrlich trist und grau. Doch wenigstens einer hat sich besorgt und mutig gezeigt: Josef von Arimathäa. Er hatte ein gutes Herz. Er trägt den toten Jesus, hält ihn beim Herunternehmen. Der kleine rote Farbklecks unten könnte auf sein Mitgefühl hindeuten. Vielleicht war auch er ein Jünger Jesu, der sich nur nicht als ein solcher geoutet hat. Die anderen beim Kreuz verbliebenen Anhänger Jesu waren vor allem Frauen. Sicher war da auch seine Mutter, der Josef den toten Jesus dann wortlos in die Arme legt. Alle anderen waren ja geflohen – vielleicht weniger aus Angst als aus Entsetzen, dass Jesus nun doch getötet und all ihre Hoffnung damit zunichte geworden war. Mit Recht erscheint nun alles grau, kraftlos und ohne Leben. Markant und prägnant mit seinem insgesamt noch immer kräftigen Schwarz bleibt allein das Schrecknis des Kreuzes.

Wir wollen beten:
Gott, in diesen Tagen erfahren wir durch die Skandale unserer Kirche,
wie farblos und unfruchtbar das religiöse Leben zu werden droht.
Vieles stirbt auch bei uns ab und ist wie tot.
Aber wenn selbst Tote in den Arm genommen werden,
so können wir begreifen lernen, wieder neu anzupacken.
Elend, Lüge, Misstrauen, Krieg und Tod dürfen nicht das letzte Wort haben.
Vielleicht können wir auch unsere Kirche, die wie krank ist,
in den Arm nehmen und sie neu annehmen.
Das jedenfalls erhoffen wir von dir,
der du selbst den Tod erlitten hast, ohne das Leben aufzugeben.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:

Ich liege, Mutter, dir zu Füßen, / nimm gnädig an mich als dein Kind; /
o lass mich Jesu Wunden küssen / und weinen über meine Sünd.

 

14. Station: Jesus wird ins Grab gelegt

Lukas schreibt:
[Er] hüllte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch niemand bestattet worden war. Das war am Rüsttag, kurz bevor der Sabbat anbrach. Die Frauen in seiner Nachfolge, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, sahen das Grab und wie der Leichnam bestattet wurde. Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Salben und Öle zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom Gebot vorgeschriebene Ruhe ein. (Lk 23,53b-56)

Betrachtung zum Bild:
Zuerst habe ich gedacht, das Bild steht auf dem Kopf. Unten der in Leinentüchern gewickelte Leichnam, mit ein paar Strichen in roter Farbe gemalt. Natürlich ist ein Felsengrab unten an seiner tiefsten Stelle dunkler als oben, wobei noch ein fast blau wirkender waagrechter Strich das Grau vom Schwarz trennt. Darunter oder davor, je nachdem wie es betrachtet wird, sind mit drei Pinselstrichen die Frauen angedeutet, die Jesus das letzte Geleit gaben. Und doch hat der Künstler das schwere, intensive Schwarz nach oben gehoben. Die Frauen sehen offensichtlich in die Grabkammer hinein, in deren hintersten dunkelsten Teil der Leichnam Jesu liegt. Das Rot wird auch von einer blauen Linie getragen. Es ist wieder das einzig Leuchtende an diesem Bild. Wären nicht die schrägen Pinselstriche, die dem Bild eine Bewegung geben, als würden sich die Frauen wieder auf den Heimweg machen, so hätte der Kreuzweg in einer dunklen Grabkammer sein Ende gefunden.
So hat auch unser Lebensweg dunkle Seiten, in denen wir orientierungslos nach Licht tasten. Kommt die Stille noch dazu, dann ist es wie das verschlossene Grab. Was macht das mit uns, können wir das aushalten über den Karsamstag hinweg bis zur Auferstehung? Unser Weg durchs Leben wird jedes Jahr im Ritual des Kreuzweges aufgezeigt, ist aber immer wieder ein anderer. Neue Erfahrungen, gleich welcher Art, kommen hinzu, Sichtweisen ändern sich, das Leben bekommt weitere Facetten. Und doch wird uns jedes Jahr unser Ende deutlich gemacht. Jesus hat vor seinem Tod von der Auferstehung gesprochen. So kann er zumindest furchtlos in diesen Tod gehen, denn sein Tod ist nicht das Ende.

Wir wollen beten:

Tausende von Flüchtlingen aus aller Welt haben ihren ganz eigenen Kreuzweg, der nicht nur ein paar Stunden oder Tage dauert, sondern über Wochen, Monate, Jahre geht.
Welch eine Kraft steckt darin, sich nicht aufzugeben, sondern den Weg weiterzugehen, ohne zu wissen, was kommt, um in ein besseres Leben zu gelangen. Gib du uns auch den Mut zu kleinen und kleinsten Schritten, denn jeder Schritt bringt Veränderung, bringt Hoffnung.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Zugehörige Liedstrophe:
Ich will mit dir, o Jesus sterben / der Welt, dem Fleisch, der Eitelkeit; /
nur so kann ich das Heil erwerben, / nur so eingehn zur ewgen Freud.

 

15. Station: Jesus lebt als Auferstandener

Lukas berichtet uns:
Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht. Und es geschah, während sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen. Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden…
Und sie kehrten vom Grab zurück und berichteten das alles den Elf und allen Übrigen. Es waren Maria von Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und die übrigen Frauen mit ihnen. Sie erzählten es den Aposteln. Doch die Apostel hielten diese Reden für Geschwätz und glaubten ihnen nicht.
(Lk 24,1-11)

Bildbetrachtung:
Hat Bertemes bei seinen vorangegangenen Stationen verschiedene in alle Richtungen gehende Tuschestriche benutzt, ist hier in der letzten Station das aufrecht Stehende, nach oben Strebende das einzige Element. Der Hintergrund tritt deutlich zurück, das Rot wirkt kräftig und scheint von dem Schwarz übermalt zu sein. Es ist niemand mehr zugegen, keine Jünger, keine Frauen, nur Jesus allein. Er drängt nach oben, wo es keinen Schmerz, kein Leid, sondern nur Licht, Hoffnung, Werden und Wachsen gibt. Doch wie sollen wir uns das erklären: „Sterben, um zu leben.“? Können wir das einem KZ-Überlebenden oder Asyl-Suchenden überhaupt übersetzen, geschweige denn erklären? Und doch, wenn ich Jesus ernsthaft zuhören will: Untergräbt es nicht auch mein eigenes Dasein, kann ich mir solche Gedanken überhaupt leisten, wenn ich weiterleben will? Es ist eine Gratwanderung jeden Tag zwischen Zaudern und Verzagen und Mut und Vorwärtsgehen. Manchmal gelingt es, dann geht es wieder einen Schritt zurück. Unser Glaube an das Danach kann uns die Furcht vor der Gegenwart nehmen, vor Schmerz, vor Krankheit und was alles noch kommt.
Leben wir jetzt, verschieben wir es nicht auf später, wir haben eben nur dieses eine Leben;
Unser Profil muss sichtbar sein, kein Schwamm, kein Weichzeichner. Eine klare Kante gibt wieder Luft zum Atmen, denn Furcht und Angst sind, so banal es klingen mag, schlechte Ratgeber und Helfer. Nur Mut also…

Wir wollen beten:
Unser Weg ist jeden Tag ein Kreuzweg. Dein Beispiel, deinen Weg zu gehen, macht auch uns Mut. Wir können andere mitnehmen, unterstützen, immer im Gedenken an dich, nicht nur vor Ostern. Hilf uns den Blick nach vorne und oben zu finden, auch wenn es mühsam ist.

Zu dir rufen wir:
A: Du sei bei uns in unsrer Mitte, höre du uns Gott (2x GL182,2).

Dazugehörige Liedstrophe:
Du bist lebendig hier zugegen, / hast neu das Leben uns gebracht. /
So woll´n auch wir auf allen Wegen / Gott beten an und seine Macht.

 

Gemeinsames Gebet der Gemeinde:

Gott,
das, was ich mir erträumt hatte, ist nicht geschehen - noch nicht.
Dennoch träume ich weiter vom Leben - trotz der Erfahrung von Krankheit, Elend, Krieg und Tod.
Dein Kreuzweg ist zu Ende gekommen – zu einem guten Ende, wie wir glauben.
Wir wollen deinem Wort und deinem Tun vertrauen.
Daher hoffen wir weiter auf Erlösung, Erlösung von allem Leid, jeder Vertreibung, jedem Krieg, jedem Elend, jedem Tod.
Gegen alle Hoffnung glauben wir und bitten:
Lass die Kreuzwege so vieler Menschen auch noch zu einem guten Ende kommen.
Sei du mit allen und bleibe bei allen, die deine Hilfe so bitter nötig haben.
Die Kreuze sind aufgerichtet, aber oben schon sehen wir den offenen Himmel.
AMEN.

Segensgebet und Segen

Gemeindelied: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr; … (GL 422, 1-3)

Orgelspiel und Flöte zum Auszug

Orgel: Berthold Tasler, Flöte: Elisabeth Tasler.

 

Wir danken dem Sohn des Künstlers, Paul Bertemes, dass wir die Bilder seines Vaters Roger Bertemes benützen und hier einstellen dürfen, auch für die Überlassung der Broschüre zu den Kreuzwegbildern seines Vaters.

Auch danken wir für weitere Hilfen, die wir Frau Monika Tombers, der Pastoralreferentin Par Musel a Syr, zu verdanken haben.